Nach Beendigung seiner Studien an der Weimarer Akademie orientiert sich Christian Rohlfs in Farb- und Motivwahl zunächst an der französischen Freilichtmalerei der Schule von Barbizon. Schon sehr bald überwindet er jedoch die Genremalerei des Naturalismus und es sind die französischen Impressionisten, die Rohlfs darin bestärken, die lichte und transparente Wirkung der Farben zu erforschen. Immer überzeugender gelingt es ihm jetzt in locker gesetzten Pinselstrichen das luftige und farbintensive Flirren der von Licht und und Sonne beschienenen Umgebung ins Bild zu setzen.
Inspiriert durch die Karl Ernst Osthaus Sammlung moderner europäischer Kunst im Hagener Folkwang Museum, beginnt sich Rohlfs mit Cézanne, van Gogh und Munch auseinanderzusetzen. Seiner Neigung zur Stilisierung und Reduktion der vorgefundenen Motive kommt jetzt besonders der Farbfluss des Aquarells entgegen. Immer freier experimentiert Rohlfs fortan mit Farben. Die Ölmalerei gibt er in den 1920er Jahren mehr und mehr zugunsten frei gestalteter Aquarell- und Temperaarbeiten auf.
1927 begibt sich der Künstler in das schweizerische Ascona am Lago Maggiore. Die spezifische Helligkeit des Südens verlockt den fast achtzigjährigen Künstler zu einer bis dahin nicht gekannten bildnerischen Darstellung von Farbe und Licht. Das inhaltliche tritt jetzt zugunsten flammender Farbtöne fast vollständig zurück. Licht dringt in Farben ein, bringt sie zum Leuchten und erzeugt ein so transparentes Erscheinungsbild, dass die Motive losgelöst von aller materiellen Schwere förmlich zu schweben beginnen. Es entstehen dort jene freien Paraphrasen zu den Formen der Erscheinungswelt, jene seltsam leuchtenden, farbintensiven Bilder mit den gebogenen Landschaften, glühenden Blüten und pflanzenhaften Häusern.
„Klingsors Zaubergarten ist gefunden!“ begeisterte sich Richard Wagner, als er 1880 nach Ravello kam und von der Blumenterasse der Villa Ruffoli hinaussah auf das Tyrrhenische Meer. „Klingsors Zaubergarten ist gefunden!“, das hätte auch der ‚Spätromantiker‘ Christian Rohlfs ausrufen können, als er im Jahre 1927 in den Garten des Castello di San Materno kommt und vom kleinen Balkon über den Lago Maggiore bis weit hinein in die Schneeberge sieht. Später, in Ascona, verbringt Christian Rohlfs ab 1928 zusammen mit seiner Frau ständig neun Monate des Jahres in der Casa Margot am Lago Maggiore.
Es scheint, als fände Christian Rohlfs erst in Ascona zu seiner wahren und ausgeglichenen künstlerischen Form. So wie der Maler Klingsor in Hermann Hessen Erzählung „Klingsors letzter Sommer“, so entwickelt auch der alternde Rohlfs im Tessin eine unvergleichliche Magie und „Musik der Farben“. Ihr Klang ist jung und beschwingt zugleich, trägt aber auch schon den Schmerz des Abschieds in sich. Dieses Aufflammen, diese Chromatik der traurigen und der fröhlichen Töne scheint jegliches Abbild zu sprengen und geht bis zur Aufhebung des dargestellten Gegenstandes.
Die magische Wirkung der Farbe ist für Christian Rohlfs das zentrale Gestaltungsmittel geworden, mit dem er die Erscheinungen der Dinge in reine Malerei zu überführen vermag, die auch dem heutigen Betrachter tief bewegende Natur- und Landschaftsdarstellungen vor Augen führt.
Die Ausstellung „Christian Rohlfs – Magie der Farben“ ist eine Ausstellung der Ernst Barlach Museumsgesellschaft Hamburg.